aktualisiert am: 15.07.2008
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Artikel des Monats November 2002

Coaching von Führungskräften:
Stressmanagement durch Reflektion der Werte

Dr. Horst-W. Reckert

 

 


 


Der Anlaß für ein Coaching im Rahmen von Stressmanagement ist bei vielen Führungskräften ein Erschöpfungszustand, psychosomatische Beschwerden oder ein Zustand des Ausgebrannt-Seins (burnout). Die Führungskraft erlebt einen nicht erwünschten Ist-Zustand, den sie mit Hilfe des Coaches und Arztes in den erwünschten Soll-Zustand überführen möchte. Stresssymptome manifestieren sich auf der somatischen und psychischen Ebene (Miltner, Birbaumer, Gerber, 1987). Deshalb ist eine intensive Kooperation zwischen dem Coach und dem auf Gesundheitsmanagement spezialisierten Arzt nützlich. Derjenige, der gecoacht wird, der Coachee, erhält so ein umfassendes Gesundheitsmanagement.

Führungskräfte oder selbstständig Arbeitende haben oft eine Wochenarbeitszeit von 70 Stunden. Meistens werden externe Faktoren genannt, die täglich über das gesunde und effektive Maß hinaus anspornen : Ein hohes Arbeitspensum, Termindruck, Qualitätsdruck oder Stückzahl-Vorgaben werden in Coaching-Sitzungen als Stressoren genannt. Die Coachees erwähnen Rollenkonflikte, wie beispielsweise die „Sandwich“-Position des Meisters, der eingebettet ist zwischen den Erwartungen seiner Mitarbeiter und den Erwartungen seines Vorgesetzten. Weitere Stressfaktoren können Anforderungen sein, die sich durch Fusionen zu Großkonzernen ergeben, wie beispielsweise Team-Besprechungen oder Mitarbeitergespräche, welche in der Konzernsprache Englisch abhalten sind.

Aus der NLP-Sicht sind innere Überzeugungen und Werte „Knöpfe“, auf die externe Streß-Faktoren drücken. Werte sind tiefverwurzelte Haltungen über das, was Menschen in ihrem Leben wichtig ist. Werte haben viele Quellen: Elternhaus, Schule, Freunde, Menschen, die Förderer waren, das Arbeitsumfeld, Vorgesetzte. Auch der Markt der Mitbewerber vermittelt Erfahrungen, aus denen sich Werte entwickeln. Werte und Normen bedingen die Sichtweise der eigenen Landkarte.

Manche Werte sind bewusst, das heisst, Coachees wissen, dass sie diese Werte besitzen (z.B. die Unternehmenskultur). Ein Blick hinter die Kulissen ihrer Werte entschlüsselt die persönliche Wertestruktur. Unbewusste Werte werden entschlüsselt, die auf subtile Art Denken, logische Folgerungen und emotionalen Befindlichkeiten steuern. Die Entschlüsselung der inneren Werte und Normen führt zu einer Modifikation des äußeren Handelns. Stimmt das äußere Handeln mit den inneren Werten und Normen überein, so entsteht befriedigendes und sinnhaftes Handeln und Erleben. So können die Coachees besser verstehen, was sie erleben oder wie sie handeln.

Reflektion der Werte

Werte können im Gespräch reflektiert werden mit der Frage:
„Was würden Sie nicht tun, obwohl Sie es könnten? Was müsste passieren, daß Sie es dennoch täten?“ (Dilts, 1999). Durch die Frage nach der Ausnahme werden höherrangige Werte identifiziert.

Wir geben unseren Coachees eine Reflektionsaufgabe (Senge, 1994). Aus einer Liste von Werten (Mohl, 1996) wählen die Coachees/Patienten die zehn wichtigsten Werte aus. Bei der Auswahl bekommen die Coachees/Patienten die Aufgabe, zu einer Party von Werten einzuladen. „Welche Werte würden Sie einladen, wenn sie nur zehn Werte einladen können?“, ist die Reflektionsfrage an die Coachees/Patienten.

Diese zehn Werte werden in eine Rangreihe gebracht. Die Rangreihe entsteht, wenn die Coachees von den zehn Werten gedanklich Werte streichen. Die Werte werden gestrichen, die Sie vernachlässigen könnten, wenn sie es müßten. Dieses Wegstreichen von Werten fällt schwer. Um den Prozeß zu erleichtern und die Klarheit zu fördern, lassen wir die Werte vor der Hierarchisierung definieren. Coachees nennen gerne Wertehierarchien, die ihrem Idealbild entsprechen oder gesellschaftlich akzeptiert sind. Die Verknüpfung der Werte mit dem wöchentlichen Zeitbudget und konkreten Inhalten hilft, die tatsächlich gelebte Wertehierarchie herauszuarbeiten und Diskrepanzen zu erkennen. Im Idealfall ist der Coachee in der Lage, diese tiefere innere Werthierarchie zu erkennen. Durch die Wahrnehmung von Bedürfnissen, der mit den Werten verbundenen Konsequenzen und dem Erkennen der positiven Absichten hinter den Werten kann die tiefere Werthierarchie erschlossen werden.

Beispiel: Der Wert „Familie“ steht auf Rang 1 Ihrer Wertehierarchie, darauf folgt „Beruf“ und ihr „Hobby“.

Werthierarchie Zeit pro Woche in Std. Inhalte
1.Familie 12 Fernsehen, Essen, Gespräche während des Fernsehens
2.Beruf 70 Aktuelle Aufgaben incl.10 Überstunden
3.Fußball spielen als Hobby 2 Training, Vereinsheim


In diesem Beispiel ist fraglich, ob wirklich „Familie“ auf Position eins steht. Da das zeitliche Budget geringer ist als bei „Beruf“ und inhaltlich Tätigkeiten durchgeführt werden, die auch ohne Familie gemacht würden (Fernsehen, essen). Vielleicht ist Familie in der tiefen Werthierarchie ein hoher Wert, der durch eingeschränkte „Landkarten“, fehlende Ressourcen oder einschränkende Überzeugungen verdeckt wurde. Das Umsetzen der Top-Werte im Alltag führt zu einer ressourcenreicheren, ganzheitlicheren Lebensführung, die die Balance zwischen Beruf-Privatleben-Gesundheit wiederherstellt und zu einem ganzheitlichen Streßmanagement führt.

An konkreten Handlungen oder Entscheidungen kann die Frage nach dem „Wozu“ Werte entschleiern. Die Werte können in einem Prozeß des „chunking up“ bearbeitet werden. Der Coachee überlegt, welchen Wert er zusätzlich abgedeckt hat, der vielleicht noch höherrangiger ist? Dieses „chunking up“ führen wir solange durch, bis keine Antwort mehr gegeben werden kann.

Beispiele:
Ein erstes Beispiel zeigt eine Führungskraft, die auch am Samstag arbeitet und damit den Wert „Karriere machen“ abgedeckt. Der Coach fragt: „Was haben Sie noch erreicht, wenn Sie am Samstag abend in ihrem Bett liegen und über den Tag nachdenken, was Ihnen vielleicht noch wichtiger ist als „Karriere machen“? Möglicherweise das Gefühl ganz in einer Sache aufzugehen, ganz bei sich zu sein oder „seinen Lebensplan“ zu erfüllen.

Ein zweites Beispiel verdeutlicht die Persönlichkeitsstruktur einer Führungskraft. Die Wertehierarchie besteht in der Reihenfolge „Beruf-Gesundheit-Familie-Heimatverbundenheit-Geld“. Auf ein finanziell interessantes Stellenangebot im Ausland wird er ablehnend reagieren, denn Heimatverbundenheit steht in seiner Wertehierarchie höherrangig als Geld.

Die Reflektion der Werte kann zu verändertem Stressverhalten führen, wenn für die Top-Werte ein Handlungsplan erabeitet wird, der den Rang des Wertes würdigt. Im obigen Beispiel können mit der Führungskraft für den Top-Wert „Familie“ Tätigkeiten überlegt werden, die der Top-Position sowie den Bedürfnissen der Führungskraft und seiner Familie entsprechen. Ist die Diskrepanz zwischen echten eigenen Werten und tatsächlich gelebter Wertehierarchie zu groß, entsteht mangelnde Identifikation mit dem alltäglichen Umfeld. Die daraus resultierende Unzufriedenheit kann mit den gängigen Verdrängungmechanismen (Überaktivität etc) kurzfristig abgeschwächt werden. Durch lösungsorientiertes Coaching können Wege zur realistischeren Umsetzung tiefer innerer Werte im Alltag erabeitet werden. So entsteht Authentizität. „Harmonie und Kraft ist nur in unserem Leben, wenn das Äußere ist wie das Innere“ (Albert Schweitzer).

Literatur:

  • Miltner, Birbaumer, Gerber, Verhaltensmedizin, 1986

  • Dilts, R. Hierarchies of criteria, Article of the month, www.nlpu.com

  • Andreas, C.& S, Gewußt wie

  • Senge, P. Die fünfte Disziplin

  • Mohl, A. Der Zauberlehrling

Autoren:
Dr. Dipl. Psych. Horst-W. Reckert, Jahrgang 1964, gelernter Bankkaufmann, Diplom-Psychologe, zertifzierter NLP-Lehrtrainer (DVNLP), Ausbildung in Hypnotherapie, Trainer, Coach und Berater,Diplom-Arbeit und Dissertation über zwei Coachingtechniken aus dem NLP, www.dr-reckert-training.de, www.dr-reckert.de

Ich danke Dr. med. Lydia Reutter, Tübingen, Prakt. Ärztin und Ärztin für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und Traditionelle Europäische Medizin (TEM), für wertvolle inhaltliche Anregungen (www.reutter.com)